Gedichte von Knecht Ruprecht
Gedichte und Reime von Felix Dahn, Martin Greif und anderen Autoren.
I.
Den Kindern.
Von Frau Holle, dem Rotkehlchen und dem braven Mädchen.
Frau Holle blickte sorgenschwer
Vom Himmel auf die Erden:
"'s giebt keine braven Kinder mehr!
Was soll daraus noch werden?
Einsiedler.
Es braucht Knecht Ruprecht gar so viel
Der Ruten für die Buben:
Bald steckt der Wald mit Stumpf und Stiel
Am Spiegel in den Stuben.
Und auch die Mädchen, ach so hold,
Sie soll'n nicht viel mehr taugen!"
Die schöne Göttin weinte Gold
Aus ihren goldnen Augen.
Da sang ihr zu ein Vögelein
Mit einem roten Kehlchen:
"Frau Holle, mußt nicht traurig sein!"
"Weißt du mir Trost, Liebseelchen?
"Ich weiß dir Trost! Ich bring' ihn dir!
Ein kleines Mädchen kenn' ich: -
Das ist so brav, unglaublich schier!
Bald auch den Namen nenn' ich.
Doch hör' nur erst: sie weinet nie,
Muß man sie morgens waschen,
Nie mit dem Bruder hadert sie,
Und niemals thut sie naschen.
Sie hat ein Grübchen in dem Kinn,
Ein kirschenrotes Mündchen,
Ihr Haar ist blond und sanft ihr Sinn,
Sie ist ein mollig Ründchen.
Wenn Pat' sie zum Konditor führt,
So nimmt sie's an bescheiden
Und dankt und knixt wie sich's gebührt,
(Das mag der Pat' dann leiden!)
Ihr Auge schwimmt in feuchtem Tau,
Als wär' auf sie gesunken
Ein selig Stücklein Himmelsblau
Und wäre drin ertrunken.
Sie streitet nicht, sie maulet nicht,
Nicht viel Gewand zerreißt sie,
Sie hat ein herziglieb' Gesicht:
Und Bertha Berger heißt sie."
Da ward Frau Holle seelenfroh
Und sprach zum roten Kehlchen:
"Du liebes Vöglein, ist das so, -
Dann ist sie ein Juwelchen.
Den Flug nimm auf die Erde gleich,
Und Bertha Berger grüß' mir:
Mit Kuchen aus Frau Hollens Reich.
Den Tugendpfad versüß' ihr.
Und sag' ihr, daß ihr immerdar
Geneigt und hold sein wolle
Die Göttin mit dem goldnen Haar,
Die freundliche Frau Holle.
Und weiß sie nicht den Weg hierher, -
Knecht Ruprecht soll sie fragen:
Im Wirrbart, Hut und Mantel, der: -
Der wird sie zu mir tragen."
II.
Den Erwachsenen.
Die Kinder sind zu Bett gebracht. Jedoch auch für die Alten
Knecht Ruprecht und Frau Holles Nacht will ihres Zaubers walten
Wer von uns wähnt, er sei dies Jahr so artig stets gewesen,
Daß er verdiente nimmerdar Knecht Ruprechts Rutenbesen?
Wir leugnen nicht verwirkte Schuld. Doch bauen wir Vertrauen
Und Hoffnung auf Frau Holles Huld, der fraulichsten der Frauen.
Sie ist des Wunschgotts selig Weib, das alle Wonnen sendet:
Was uns erquickt an Seel' und Leib, - Frau Holle hat's gespendet.
Frau Holle in dem hohlen Stein, sie strählt ihr Haar, die Holde:
Dann flutet's in die Welt hinein von Sonnenglast und Golde.
Mir wurde nur ein karger Teil von all' dem goldnen Regen:
Sie schenkte mir als all' mein Heil der Dichtung Fluch und Segen.
Doch gönn' ich euch das and're Gold: ich will mich, stolz-bescheiden,
An ihrer Schönheit wunderhold im goldnen Traum nur weiden.
Und ob mir noch in diesem Jahr der Stunden letzte rolle: -
Ich segne dich im goldnen Haar und danke dir, Frau Holle!
Felix Dahn
"Der Sunnwendmann,
wo kommt er her?"
Über Wiesen und Felder,
über Berge und Wälder,
vom weiten, weiten Meer,
da kommt er her.
"Der Sunnwendmann,
wie zieht er ein?"
Auf leuchtendem Schimmel,
wie die Sonn’ am Himmel,
voll spiegelndem Schein,
so zieht er ein.
"Der Sunnwendmann,
was bringt er mit?"
Gar köstliche Gaben
für Mädchen und Knaben,
die guter Sitt’;
das bringt er mit.
"Der Sunnwendmann,
wie teilt er’s aus?"
Er legt sie verstohlen,
wo leicht sie zu holen,
ans Fenster, vors Haus,
so teilt er’s aus.
Martin Greif