Gedichte von Sankt Nikolaus


Gedichte von Johanna Dirnböck-Schulz und Christoph Schmid.




Sankt Niklas und der Fischer

Ein Fischer, der hörig dem krizanen Stein,
Ruht abends bei Mondlicht am Strande;
Es spielten die Wellen mit glitzerndem Schein
Und huschten wie lockend zum Sande.

Da taucht aus dem schimmernden Wasser empor
Ein Weib, wie aus Düften gewoben:
"Komm, Knabe, wir singen und spielen im Thor!" -
So spricht sie, die Arme erhoben.

Im grünlichen Haar eine Schilfkrone blinkt -
Nie hat er ein Weib so gesehen -
Ihr schimmernd Gewand in den Wogen versinkt -
Nun schaut er sie dicht vor sich stehen.

Das Mondlicht bespiegelt den herrlichen Leib,
Die Augen wie Sterne hell sprühen -
Zum Fischer jetzt neigt sich das liebliche Weib:
"Du Kühler! - Dein Herzlein soll glühen!"

"Flink spiele die Pfeife! - Ich singe dazu -
"Dann tanzen wir hier auf den Wellen!
"In meinem Palaste zu süßester Ruh
"Sollst, Knabe, Du Dich mir gesellen!" -

Sein Pfeiflein aus Schilfrohr der Knabe ergriff
Und ließ es ganz sachte erklingen -
So fremd klang die Weise, so seltsam der Pfiff,
So lieblich der Wasserfrau Singen!

Doch wußte der Fischer wohl Altväter Mär
Von lockenden Nixen und Frauen -
Er dachte: "Für mich gibt es Hilfe nicht mehr!" -
Die Seele erfüllte ihm Grauen.

Schon greift nach dem Knaben die schimmernde Fei,
Umschlingt ihn mit eiskalten Armen -
Da ruft er, verzagend, den rettenden Schrei:
"Sankt Niklas! O, tu Dich erbarmen!" -

Da klang durch die Stille ein gellender Ton,
Das Glöcklein der Niklaskapelle;
Es sanken die Arme, es schwankte die Kron',
Die Nixe verschwand in der Welle.

Der Fischer sprang totbleich zum Schlosse hinan:
"Wer hat hier das Glöcklein gezogen? -
"Der hat mich erlöset aus zaub'rischem Bann -
"Ich läge nun tot in den Wogen!"

Doch alle erstaunten ob Kunde und Klang -
Hat niemand die Glocke gezogen -
Von selber bewegten sich Glöcklein und Strang -
Sankt Niklas ist Fischern gewogen!

Johanna Dirnböck-Schulz



Der heilige Nikolaus

Legende.

"Komm, Mutter, bring das Licht herein!
Die Sonne ist hinunter;
Die dunkle Nacht bricht endlich ein -
O halt dein Wort jetzunder!
Erzähl' vom heil'gen Nikolaus,
Und teile dann Geschenke aus;
Er bringt so schöne Gaben
Den Mädchen und den Knaben!"

Die Mutter bringt sogleich das Licht,
Willfahrend gern der Bitte,
Und setzt mit lächelndem Gesicht
Sich in der Kinder Mitte.
Der Lampe Glanz beleuchtet klar
Der holden Kleinen muntre Schar;
Die Mutter, gut und weise,
Blickt froh umher im Kreise.

"Es war einmal," fängt sie jetzt an,
"Ein reicher Herr von Adel;
Herr Woldemar, ein braver Mann,
Trotz seiner Feinde Tadel.
Auch seine Töchter alle drei,
Sie waren fromm, geschickt dabei,
Von kindlichem Gemüte
Und hold wie Rosenblüte.

Der Feind raubt' ihnen Hab und Gut,
Und steckt ihr Schloß in Flammen;
Verscheucht von Wilder Krieger Wut,
Entfloh'n sie all zusammen.
Die Töchter und der Vater zieh'n
In eine ferne Gegend hin,
Und leben dort voll Jammer
In einer schlechten Kammer.

Den Vater macht das Elend krank;
Er hat nur Stroh zum Bette,
Kein Arzt fand sich, der einen Trank
Für ihn verschrieben hätte.
Der arme Kranke, lieber Gott,
Er hatte kaum das trockne Brot!
Die zarten Fräulein meinen
Fast zu vergeh'n vor Weinen.

Allein der kranke Vater spricht,
Und faltet fromm die Hände:
"Ihr guten Kinder, weinet nicht,
Bald nimmt's mit mir ein Ende!
Ich alter Mann sink' bald hinab
Zu eurer Mutter in das Grab -
Und teil' nach diesen Leiden
Mit ihr des Himmels Freuden.

Doch wie wird es euch Waisen geh'n
In eurer zarten Jugend?
Ach niemand ist, euch beizusteh'n -
Zu schützen eure Tugend!
Ach einer falschen Schlange gleich
Bedrohet die Verführung euch!
O Gott! wollst dieser Armen
Dich väterlich erbarmen!"

Es war bereits um Mitternacht,
Da klopft man an dem Laden;
Kaum hat ein Fräulein aufgemacht -
"Gott sei mit uns in Gnaden!" -
So flieget etwas, wie ein Stein,
Zum offnen Laden schwer herein -
Doch auf dem Boden rollte
Ein Beutel schwer von Golde!

Der Vater ruft: "Du guter Gott,
Du hast mein Fleh'n erhöret,
Und in der allergrößten Not
Uns reiche Hilf' gewähret!"
Die Töchter sinken auf die Knie,
Und freudeweinend danken sie;
In ihren nassen Blicken
Glänzt Freude und Entzücken.

Die Fräulein nun, geschäftig froh,
Für ihren Vater sorgen;
Im weichen Bette statt auf Stroh
Erblickt ihn schon der Morgen.
Die eine ruft den Arzt herbei,
Die andre holet die Arznei,
Die dritte steht am Herde,
Daß ihm bald Labung werde.

Die treue Pflege gibt dem Greis
Bald wieder neue Kräfte;
Schön ordnete der Fräulein Fleiß
Die häuslichen Geschäfte;
Der bravste Edelmann im Land
Bewarb sich bald um Emmas Hand;
Es folgen auf die Leiden
Des Hochzeitfestes Freuden!

Doch seufzet Woldemar zu Gott
Schon an dem nächsten Morgen:
"Ach könnt ich noch vor meinem Tod'
Mein zweites Kind versorgen!
O Gott! schick nochmals Hilfe her,
Sonst weiß ich keine Hilfe mehr -
Ich hab' so viel gegeben,
Und selbst kaum mehr zu leben!"

Die beiden Fräulein bald darauf
In später Nacht noch spinnen;
Da ruft man: "Macht den Laden auf,
Ihr Kinderlein da drinnen!"
Kaum war der Laden aufgethan,
So wirft ein unbekannter Mann
Schon wieder Geld ins Zimmer -
Und schon seh'n sie ihn nimmer.

Die Fräulein achten dieses Glück
Als ein Geschenk von oben;
Sie danken mit entzücktem Blick
Dem guten Geber droben.
Die holde Bertha wurde bald
Die Braut des Ritters Theobald;
Der Vater folgt dem Paare
Voll Freude zum Altare.

Da fleht bei sich der alte Mann:
"O Gott, noch eine Bitte
Sorg', wie du es für zwei gethan,
Auch für der Töchter dritte!
Nimm diesen Sorgenstein mir ab,
Dann schrecket mich nicht Tod und Grab;
O dann will ich mit Freuden
Zu meinen Vätern scheiden!"

Einst wachet er bei Mondenlicht,
Vertieft in frommes Flehen;
Ein Mann mit holdem Angesicht
Läßt sich am Fenster sehen -
Der wirft zum offnen Fensterlein
Zum dritten Male Geld herein,
Und schnell war er verschwunden
Und nirgends mehr gefunden.

Der Vater nimmt das Geld erfreut,
Für einen würd'gen Gatten
Das jüngste Fräulein, Adelheid,
Nun auch noch auszustatten.
Der frühern Ehen jedes Paar
Erscheinet auch am Traualtar,
Und dann beim Hochzeitsmahle,
Im kerzenhellen Saale.

"Doch wer war jener fremde Mann,
Der unser Glück gegründet?"
Fängt jetzt der alte Vater an,
"Wer ist's, der ihn ausfindet -
Den Menschenfreund voll Edelmut,
Der so im stillen Gutes thut?
Ach unsre Herzen brennen
Vergebens ihn zu kennen!"

Der Vater kommt im zehnten Jahr
Zur Hauptstadt in dem Lande;
Er sieht den Bischof am Altar
Im heiligen Gewande;
Und kennt sogleich das Angesicht,
Das er einst sah bei Mondenlicht,
An den so edlen Zügen
Mit himmlischem Vergnügen.

Sogleich berufet Woldemar,
Den Lieb und Dank entflammen,
Der Töchter, Söhne, Enkel Schar
Durch Boten schnell zusammen;
Und zu dem frommen Bischof führt
Er alle inniglich gerührt.
Sie fallen ihm zu Füßen
Und tausend Thränen fließen.

Der fromme edle Bischof spricht
Mit ruhiger Gebärde:
"Ich that bloß meine Christenpflicht -
Erhebt euch von der Erde!
Was rühmt ihr mich geringen Mann?
Nur Gott im Himmel betet an;
Er, er nur kann uns retten
Aus allen unsern Nöten!

Der Unschuld drohet viel Gefahr
In dieser Welt voll Mängel;
Ein wahrer Christ sei immerdar
Für sie ein guter Engel
Der Erde Güter gab uns Gott
Zu lindern seiner Kinder Not;
Wer anders sie verwendet -
Seh' zu, wie es einst endet!"

Der Bischof war Sankt Nikolaus,
Zu dessen Angedenken
Wir Eltern jedes Kind im Haus
Noch heut' zu Tag beschenken.
Und weil er heimlich und bei Nacht
Die milden Gaben stets gebracht,
So werden sie euch eben
Auf solche Art gegeben.

Habt, Kinder, jenen Fräulein gleich,
Die Eltern stets in Ehren,
So wird der liebe Gott auch euch
Des Guten viel bescheren;
Ja seid, wie Nikolaus, stets gut,
Barmherzig, mild, voll Edelmut -
So wird nach diesem Leben
Euch Gott den Himmel geben.

Christoph Schmid